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Die BITV 2.0 – Was prüft der BITV-Test, was prüft er nicht?

Am 21. Mai 2019 ist in Deutschland die aktuellste Version der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 in Kraft getreten. Diese Version brachte inhaltliche Änderungen mit sich. Und auch die Art, wie die Anforderungen dokumentiert sind, unterscheidet sich von der alten Fassung. Im folgenden Artikel wollen wir die BITV 2.0 genauer ansehen und erläutern, was wir im BITV-Test testen und wo wir auf andere Stellen bzw. Materialien verweisen.

Die Anforderungen an barrierefreien Webcontent

Bis Mai 2019 war die BITV mit sogenannten „Prioritäten“ strukturiert: In der Priorität I waren die normativen Anforderungen zu finden, in der Priorität II weitergehende Anforderungen (die AAA-Anforderungen der WCAG), die nur für spezielle Fälle anzuwenden waren.

Jetzt nennt die BITV 2.0 die Anforderungen nicht mehr direkt, sondern verweist in § 3 ‚Anzuwendende Standards‘ auf die geltende europäische Norm EN 301 549 (aktuell gilt EN 301 549 V3.2.1 (2021-03) (PDF, 2,17 MB)). Die EN gibt im Abschnitt 9 (Web) die AA-Erfolgskriterien der WCAG 2.1 einschließlich ihrer Konformitätsbedingungen (Abschnitt 9.5) wieder; im Annex A Tabelle A.1 (PDF) informiert sie über weitere normative Anforderungen aller EN-Kapitel, die für Web-Inhalte gelten.

Der aktuelle BIK BITV-Test (Web) bildet alle Anforderungen der EN 301 549 ab, die für Webinhalte gelten. Bereits im Frühjahr 2019 wurde das Testverfahren auf die WCAG 2.1 angepasst: 12 neue Prüfschritte bilden die 12 neuen AA-Erfolgskriterien der WCAG 2.1 und damit das Kapitel 9 (Web) der EN 301 549 ab. Im März 2021 wurden dann 32 neue Prüfschritte veröffentlicht, die weitere normative Anforderungen abbilden, auf die aus der Tabelle A.1 der EN verwiesen wird. Im Februar 2022 kamen durch die Aktualisierung der EN 301 549 auf Version 3.2.1 sechs neue EN-Prüfschritte hinzu.

Damit überprüft der BITV-Test den gemäß § 3 BITV 2.0 anzuwendenden Standard für Webangebote, die EN 301 549. Der WCAG-Test bildet die WCAG 2.1 auf Konformitätslevel AA ab. Auch die Konformitätsbedingungen finden sich im Bewertungsansatz wieder.

Weitere Anforderungen der BITV 2.0

Neben den genannten Anforderungen aus der EN 301 549 definiert die neue BITV 2.0 weitere Anforderungen, die ‚Öffentliche Stellen des Bundes‘ (Adressatenkreis gemäß § 12 des Behindertengleichstellungsgesetz-BGG) erfüllen müssen.
Diese gelten in der Regel auch für die Landesebene. Ausnahmen gibt es bei den 'Erläuterungen in Leichter Sprache und Deutscher Gebärdensprache': Diese werden nicht von allen Landesgesetzen zu barrierefreier Informationstechnik gefordert.

In der BITV 2.0 gibt es einige alte bzw. neue Anforderungen, die zusätzlich zum Standard, der EN 301 549, genannt werden. Im Folgenden stellen wir sie kurz dar und erläutern, ob sie im bestehenden Prüfverfahren des BITV- bzw. WCAG-Tests berücksichtigt werden:

Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache

§ 4 BITV 2.0 definiert: „Auf der Startseite einer Website einer öffentlichen Stelle sind nach Anlage 2 folgende Erläuterungen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache bereitzustellen:

  • Informationen zu den wesentlichen Inhalten,
  • Hinweise zur Navigation,
  • eine Erläuterung der wesentlichen Inhalte der Erklärung zur Barrierefreiheit,
  • Hinweise auf weitere in diesem Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache.“

Inhaltlich neu sind die Erläuterungen zu den wesentlichen Inhalten der Erklärung zur Barrierefreiheit (Listenpunkt 3). Ansonsten waren Bundesbehörden auch bisher schon zu den genannten Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache verpflichtet.

‚Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache‘ zu prüfen, ist nicht Teil des BITV-/WCAG-Tests. Das hatte bisher vornehmlich zwei Gründe: Zum einen ist die Gesetzgebung auf Bundes- und Länderebene nicht durchgehend deckungsgleich. Es müsste also vorab geprüft werden, ob der anfragende Anbieter überhaupt verpflichtet ist. Zum anderen ist es nicht einfach, die Qualität insbesondere von Deutscher Gebärdensprache bewerten zu können. Es ist beispielsweise nicht ausreichend, formale Kriterien zu prüfen, etwa ob die Kleidung der Sprecher:in dunkel ist, sondern auch die Verständlichkeit der Gebärden.

Wir führen daher in der Beschreibung des Prüfverfahrens in den Punkten 1 und 4 an, dass wir Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache nicht testen, verweisen aber auf den BIK-Leitfaden Leichte Sprache und Gebärdensprache, der die Umsetzung unterstützt.

Erklärung zur Barrierefreiheit

§ 7 BITV 2.0 definiert, dass Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen eine ‚Erklärung zur Barrierefreiheit‘ einbinden müssen. Der Artikel sowie der Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523 erläutern, wie die Erklärung zur Barrierefreiheit inhaltlich gestaltet und veröffentlicht werden muss.

Natürlich kann der Test die Grundlage der ‚Erklärung zur Barrierefreiheit‘ liefern, da die Angaben ja auf der Basis einer tatsächlichen Bewertung zu erstellen sind (laut § 7 Absatz 5 BITV 2.0).

Die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung zur Barrierefreiheit gemäß der Anforderungen des Durchführungsbeschluss 2018/1523 ist jedoch nicht Teil des BITV-Tests. Das trifft auch zu, wenn eine bestehende Erklärung zur Barrierefreiheit als Web-Dokumentation Teil der Seitenauswahl eines BITV-Tests ist: Sie wird auch dann nur auf Konformität mit den relevanten Anforderungen aus EN 301 549, Kapitel 12 'Documentation and support services' überprüft (vgl. Prüfschrittverzeichnis, Prüfschritte unter 'Dokumentation und Support').

Wir weisen in der Beschreibung des Prüfverfahrens unter den Punkten 1 und 4 darauf hin. Daneben erläutern wir in unserem Artikel Die Erklärung zur Barrierefreiheit, wie die Erklärung umgesetzt werden muss. Dort findet man auch einen Link zur Mustererklärung der EU-Kommission, die als Grundlage dienen sollte, sowie Verweise auf Ressourcen der Bundesfachstelle Barrierefreiheit bzw. der Überwachungsstellen der Länder. Bei erfolgreichen Zertifizierungen weisen wir die Anbieter explizit auf die rechtlichen Vorgaben zur Umsetzung der Erklärung hin.

Barrierefreie PDF-Dokumente

Zu Websites gehören auch PDF-Dokumente und auch diese müssen barrierefrei zur Verfügung gestellt werden. Die BITV 2.0 definiert in § 3 Absatz 3: "Soweit Nutzeranforderungen oder Teile von Angeboten, Diensten oder Anwendungen nicht von harmonisierten Normen abgedeckt sind, sind sie nach dem Stand der Technik barrierefrei zu gestalten." Das bedeutet, dass für die barrierefreie Gestaltung von PDF-Dateien neben dem Abschnitt 10 (Non-web documents) der EN 301 549 auch die ISO-Norm 14289-1:2012-07 (PDF/UA) berücksichtigt werden muss. Dass PDF/UA in der Begründung der Neufassung der BITV 2.0 im Bundesgesetzblatt genannt wird zeigt, dass der Standard für die Umsetzung relevant ist.

Wir prüfen im BITV-Test nur HTML. PDF-Dokumente werden nicht mit dem BITV-/WCAG-Test geprüft. Darauf weisen wir in der Beschreibung des Prüfverfahrens unter den Punkten 1 und 4  hin.

Für PDF-Dokumente ist ein separates Prüfverfahren notwendig, das ähnlich umfassend ist, wie der BITV-Test selbst. Eine Herausforderung zeigt sich beispielsweise bereits in der Auswahl der zu prüfenden PDF-Dokumente. Insbesondere bei größeren Webangeboten gibt es sehr viele PDF-Dokumente, die aus unterschiedlichen Quellen kommen. Wollte man ähnlich repräsentativ vorgehen, wie hinsichtlich HTML-Prüfverfahren, müsste man eine separate repräsentative Auswahl für Dokumente machen, denn die Aussage über ein PDF, das zufällig in der Seitenauswahl des Webauftritts ist, ist nicht sehr aussagekräftig im Hinblick auf den gesamten Webauftritt.

Die Prüfung von PDF-Dokumenten müsste separat beauftragt werden: Dafür verweisen wir unverbindlich auf die Dienstleistung einzelner Prüfstellen im BITV-Test Prüfverbund bzw. auf andere PDF-Experten.

Ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen

§ 3 Absatz 4 BITV 2.0 definiert: "Für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, beispielsweise Formulare und die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen, soll ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit angestrebt werden." Vor Mai 2019 galt für „zentrale Navigations- und Einstiegsangebote“ die Priorität II der BITV, in der AAA-Anforderungen der WCAG zu finden waren. Neu ist also der Hinweis auf Angebote, „die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, beispielsweise Formulare und die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozesse“ und die Formulierung „ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit“. Die Bundesfachstelle Barrierefreiheit sagt dazu: "Dieser höhere Standard dürfte dem Level AAA der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 entsprechen." (siehe Artikel Die neue BITV 2.0).

Prüfschritte für AAA-Erfolgskriterien sind bisher kein Bestandteil des BITV-/WCAG-Tests und werden - da es sich bei dem Absatz oben "nur" um eine Soll-Anforderung handelt (zwischen ‚kann‘ als Empfehlung und ‚muss‘ als Verpflichtung) – auch nicht in das BITV-/WCAG-Prüfverfahren integriert. Auf Anfrage prüfen einzelne Prüfstellen zusätzlich auch AAA-Anforderungen.

Das Wichtigste in Kürze

Mit dem BITV-Test bieten wir ein Prüfverfahren für die zuverlässige Prüfung von Webangeboten gemäß der Europäischen Norm 301 549, auf den die BITV 2.0 Bezug nimmt.

Weitergehende Anforderungen, etwa die korrekte Umsetzung der Erklärung zur Barrierefreiheit bzw. von Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache oder die Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten sind nicht Bestandteil des Tests. Hierum sollten sich öffentliche Stellen also zusätzlich kümmern, z. B. durch die Beauftragung von spezialisierten Anbietern. Als Hilfe zur Umsetzung haben wir verschiedene Artikel veröffentlicht.

Es ist uns wichtig, dass der Test handhabbar und der Aufwand und damit auch die Kosten für Anbieter und Entwickler von Webangeboten im Rahmen bleiben. Wir bemühen uns, transparent zu machen, was geprüft wird und was nicht, d.h. deutlich zu machen, auf was sich die Testergebnisse beziehen.