26.05.2011
In unserer Rubrik "Test des Monats" untersuchen wir über drei Monate hinweg die beliebte Social-Media-Plattform Facebook. Im ersten Teil geht es um den Registrierungsprozess.
Startseite Facebook (www.facebook.com)
In unseren 'Tests des Monats' beschränken wir uns in der Regel auf einen Testumfang von drei repräsentativen Seiten eines Webangebots. Eine umfangreiche Webanwendung wie Facebook mit ihren vielen Diensten und Funktionen lässt sich mit diesem Testansatz nicht hinreichend abdecken. Wir werden uns Facebook deshalb in Form von drei separaten Tests nähern, die wir in den kommenden Monaten veröffentlichen und in denen wir drei verschiedene Prozesse untersuchen:
Auch diese Auswahl kann natürlich nicht alle Aspekte von Facebook berücksichtigen. Wir hoffen aber, durch diese prozessorientierte Vorgehensweise die Zugänglichkeit aus der Sicht eines durchschnittlichen Nutzers angemessen bewerten zu können.
Viele Menschen nutzen Facebook, ohne mit der Website in Berührung zu kommen. Das geschieht zum Beispiel über Apps für Smartphones oder Schnittstellen von und zu anderen Diensten wie Twitter. Es gibt viele Möglichkeiten, die wir hier mangels geeigneter Testverfahren allesamt leider nicht berücksichtigen können.
Der BITV-Test kommt üblicherweise ohne Nutzerbefragungen aus. Dieses Mal sprachen wir zusätzlich mit einigen blinden Facebook-Nutzern, um unsere Prüfergebnisse zu ergänzen und weitere Aspekte der Gebrauchstauglichkeit einzubeziehen, die der Test nicht abbilden kann.
Der Registrierungsprozess ist relativ einfach gehalten. Doch immerhin müssen mindestens sechs Seiten bzw. Ansichten durchlaufen werden, um ein Facebook-Benutzerprofil zu erstellen. In diesem ersten Test soll es nur um die Erstellung des Profils gehen. Es werden noch keine Daten eingegeben oder Einstellungen vorgenommen. Wir haben drei Seiten aus dem Registrierungsprozess ausgewählt:
Die Facebook-Registrierung muss mit nur 74,75 Punkten als "schlecht zugänglich" bewertet werden. Es zeigten sich eine ganze Reihe von Problemen, wenn auch keine unüberwindlichen Barrieren, die zu einer Abwertung des Angebots hätten führen müssen.
Im Laufe der Registrierung muss zwingend ein CAPTCHA gelöst werden. Alternativ zum grafischen CAPCHA wird ein Audio-CAPTCHA angeboten.
Die blinden Facebook-Nutzer, die wir befragten, haben meist Webvisum (www.webvisum.com/) zur Lösung des CAPTCHAs genutzt. Webvisum ist eine Firefox-Erweiterung, die (vermutlich mit menschlicher Hilfe im Hintergrund) grafische CAPTCHAs löst. Audio-CAPTCHAs sind anscheinend wegen der meist schlechten Verständlichkeit bei blinden Menschen sehr unbeliebt. Aber das ist natürlich kein Facebook-spezifisches Problem.
Bei Tastaturnutzung gibt es keine oder eine nur sehr schwache Fokushervorhebung. Auch bei der Reihenfolge, in der Elemente angesteuert werden, gibt es Mängel.
Als Beispiel sei hier auf die Lightbox zum Hochladen des Benutzerfotos verwiesen. Nach Öffnen der Lightbox liegt der Fokus auf der "Abbrechen"-Schaltfläche. Mit dem nächsten Tab verschwindet der Fokus im ausgeblendeten Seiteninhalt. Dieses Problem lässt sich nur lösen, wenn man von der "Abbrechen"-Schaltfläche aus rückwärts tabbt. Auf diese Idee werden jedoch wohl nur die wenigsten Benutzer kommen.
Vergleichsweise gut mit der Tastatur nutzbar sind die diversen Pop-Out-Menüs. Das betrifft insbesondere die wichtigen Navigationsmenüs im Kopfbereich der Seiten (Profil, Konto und Benachrichtigungen).
Die Strukturierung mit Überschriften ist unzureichend und wirkt beliebig. Auf keiner der hier untersuchten Seiten bzw. Ansichten unterstützt die Überschriftenstruktur blinde Nutzer beim Erfassen der Inhalte und Funktionen. Der Einsatz von WAI-ARIA (siehe unten) kann die Mängel (noch) nicht kompensieren.
Textalternativen fehlen oder sind fehlerhaft. Dies betrifft speziell die relativ häufig eingesetzten Hintergrundgrafiken (z.B. die Icons für Benachrichtigungen). Bei der Ansicht mit benutzerdefinierten Farben verschwinden diese Hintergrundgrafiken und damit viele wichtige Funktionen. Für Screenreader ist das relativ unkritisch, da eine gut zugängliche Textersetzung eingesetzt wird.
Bei den "normalen" Grafiken, die hier in den meisten Fällen Schmuck- bzw. Layoutgrafiken sind, fällt auf, dass relativ häufig keine alt
-Attribute vorhanden sind.
Der Text ist im IE nicht ohne weiteres skalierbar. Die Definition der Schriftgröße erfolgt in der Einheit px
. Mit Firefox gibt es bei der reinen Textvergrößerung abgesehen von minimalen Überlagerungen keine Probleme. Die Zoom-Funktion ist in beiden Browsern gut nutzbar.
Bei Fehleingaben, z.B. einem zu kurzen Passwort, wird es kritisch. Die Fehlermeldungen werden dynamisch unter dem Formular eingeblendet. Das ist problematisch für Nutzer von Vergrößerungssystemen, aber auch für Screenreader-Nutzer, die möglicherweise von der Meldung nichts mitbekommen.
Alle Details finden Sie im Testbericht mit allen Einzelbewertungen.
Die "normale" Facebook-Website ist ohne JavaScript-Unterstützung nicht nutzbar. Bei Nutzung mit einem nicht JavaScript-fähigen Benutzeragenten wird deutlich auf die Version für mobile Geräte (m.facebook.com) hingewiesen. Diese Version funktioniert ohne JavaScript und ermöglicht ebenfalls die Registrierung. Für diesen Test akzeptieren wir die mobile Version als Alternativversion und bewerten nicht negativ, dass die "normale" Version ohne JavaScript nicht funktioniert.
Diese Aussage steht allerdings unter Vorbehalt, denn sie bezieht sich bislang nur auf den ersten der geplanten drei Facebook-Tests. Falls sich in den kommenden Tests zeigt, dass die mobile Version bestimmte Funktionen nicht unterstützt, würde das im jetzt noch gültigen BITV-Test zur Abwertung führen. Im neuen BITV-Test, der mit dem Inkrafttreten der BITV 2 den alten Test ersetzen wird, ist die Nutzbarkeit ohne JavaScript nicht länger gefordert.
Die mobile Version konnten wir aus Zeitgründen nicht komplett untersuchen. Eine (eher oberflächliche) Einschätzung zeigt, dass hier keine größeren Probleme hinsichtlich der Barrierefreiheit zu erwarten sind. Bei der HTML-Auszeichnung fällt allerdings auf, dass keinerlei Strukturelemente verwendet werden. Angesichts der geringen Komplexität der Seiten ist das aber wohl im praktischen Umgang zu verschmerzen.
Da die Seiten sehr einfach aufgebaut sind und auf Spielereien verzichten, wirken sie viel übersichtlicher. Das ist wohl auch der Grund, warum nicht nur viele blinde Nutzer oftmals die mobilen Versionen gegenüber den Desktop-optimierten Websites bevorzugen.
Facebook setzt bereits WAI-ARIA ein. Das betrifft Dokument Landmarks (Orientierungspunkte), aber auch Auszeichnungen für diversen Rollen und Zustände. Noch wird WAI-ARIA von vielen Browsern und Hilfsmitteln nicht ausreichend unterstützt (siehe unser Artikel vom November 2010: Die Zugänglichkeit von WAI-ARIA). Bei gegebener Unterstützung verbessert WAI-ARIA die Zugänglichkeit der Anwendung deutlich.
Trotz der geringen Punktzahl gibt es bei der Facebook-Registrierung immerhin keine unüberwindlichen Hürden. Für sich allein genommen lässt das Ergebnis dieses Tests noch keine Rückschlüsse auf die Zugänglichkeit von Facebook zu, denn wir haben bisher ja lediglich den Registrierungsprozess geprüft.
Die nächsten beiden Teile dieser Artikelserie werden zeigen, wie es nach vollzogener Registrierung um die Barrierefreiheit von Facebook in der täglichen Anwendung bestellt ist.
Internetadresse: www.facebook.com
Geprüft am: 30. 5. 2011
Testergebnis: 74,75 von 100 Punkten (schlecht zugänglich)