30.11.2011
Ende Oktober ging der Relaunch der Website des Bayerischen Rundfunks online. Unter der neuen Adresse www.br.de (zuvor BR-online) kann man die überarbeitete Webpräsenz erreichen.
In einem Blog-Beitrag vom 28. Oktober 2011 hatte Marco Zehe bereits auf eine Reihe von Defiziten hingewiesen: etwa eine inkonsistente Überschriftenstruktur, die die Screenreader-Navigation schwierig macht, und Verdoppelungen von Text in alt
- und title
-Attributen in Artikel-Teasern.
BIK hat nun im Test des Monats November ermittelt, wie das Angebot im BITV-Test abschneidet. Die Befunde von Marco Zehe werden bestätigt. Darüber hinaus zeigen sich weitere erhebliche Defizite. Insgesamt hat das Angebot mit "schlecht zugänglich" abgeschnitten.
Startseite Bayerischen Rundfunks (www.br.de)
Der Bayerische Rundfunk schreibt in seinem Einführungsartikel zum Relaunch:
"Die hochwertigen Audios und Videos aus unseren Radio- und Fernsehredaktionen bestimmen unser Internetangebot wesentlich. Deshalb haben wir sie stärker in den Mittelpunkt gerückt."
Leider hat man sich hierbei grundsätzlich weder um Untertitelung der Videos noch um das Thema Audiodeskription gekümmert. Auch für die Audiodateien gibt es keine Medienalternative.
Sowohl bei der Strukturierung von Inhaltsbereichen als auch bei der Strukturierung mit HTML-Strukturelementen für die "redaktionellen Überschriften" sind Schwächen festzustellen. Was die Strukturierung der Inhaltbereichen betrifft, so liegt beispielsweise die Bereichsüberschrift für die Navigation ("BR-Navigation") und die Bereichsüberschrift für den Inhalt ("Inhalt") auf unterschiedlichen Ebenen (h1
bzw. h2
). Die ersten redaktionellen Überschriften (Startseite) liegen auf derselben Ebene wie die Bereichsüberschrift "Inhalt", anstatt dieser untergeordnet zu sein. Bei den darauffolgenden Ressortboxen sind in einer h3
-Überschrift teilweise komplette Inhaltsblöcke, Text und Bild untergebracht. Des Weiteren sind die Ressorttitel (z.B. "Kultur", "Aktuell", "Sport" etc.) bzw. die Überschriften der rechten Spalte (z.B. "Mehr zum Thema", "Sicherheit im Netz", Seite 2) nicht mit HTML-Strukturelementen für Überschriften ausgezeichnet.
Bezüglich der Alternativtexte gibt es an vielen Stellen Mängel. Bei praktisch allen redaktionellen Bildern ist im Alternativtext ein Hinweis auf das Urheberrecht enthalten (z.B. "...| Bild: picture-alliance/dpa"). Diese Information ist für Nutzer eher zweitrangig und sollte höchstens im title
-Attribut untergebracht werden. Wie schon von Marco Zehe angemerkt, sind title
- und alt
-Attribute zudem durchgehend redundant eingesetzt. Diese Redundanz hat keinerlei Nutzen. Dass viele Websites das title
-Attribut für Doppelungen nutzen, hat zur Folge, dass Screenreadernutzer ihre Software so einstellen, dass Tooltips erst gar nicht mit vorgelesen werden und damit ergänzende Informationen, für die das title
-Attribut eigentlich da ist, verlorengehen. Die Pfeile zum Navigieren innerhalb der Boxen der einzelnen Ressorts (z.B. "Kultur", "Sport", "Aktuell" etc.) haben hingegen überhaupt kein alt
-Attribut. Bei den eingebundenen Video- und Audiodateien informiert der Alternativtext des Bildes nur darüber, was zu sehen ist, nicht aber über die Aktion, die der Link auslöst (Video bzw. Audio abspielen). Auch das Öffnen der Lightbox (Seite 2) wird im Alternativtext nicht angekündigt.
Bei benutzerdefinierten Farben sind viele Grafiken, Schaltflächen und Funktionen nicht mehr sichtbar: schlecht für Menschen mit Sehbehinderung.
Probleme gibt es beispielsweise bei den Formularelementen. Das Formularfeld für die "Suche" ist nicht mehr sichtbar, das Suche-Symbol hat einen transparenten Hintergrund und kann bei bestimmten Farbeinstellungen möglicherweise auch nicht mehr wahrgenommen werden. Im Kontaktformular sind die Formularfelder "Vorname", "Name", "E-Mail" kaum noch sichtbar, da sie ebenfalls einen transparenten Hintergrund haben. Die Checkbox "Einverständniserklärung" und das Feld für die Eingabe des CAPTCHAs ist überhaupt nicht mehr zu sehen.
Als weitere Beispiele nicht mehr sichtbarer Elemente sind die Symbole zu nennen, die anzeigen, um welche Art von Content es sich bei den Ressortkästen handelt, das RSS-Symbol, die Symbole zum Starten der Video- und Audiodateien, die Schaltfläche zum Stoppen der Animation auf Seite 3, die Bedienelemente der Box "Unsere tägliche Datenspur" (Seite 2) sowie die Markierung der aktuellen Position im Hauptmenü. Auf dem großen Bild des "Aufmacherkastens" (Seite 1 und 3) sowie auf den Bildern mit Programmhinweisen gibt es Text auf einem halbtransparenten Streifen. Dieser ist als Hintergrundgrafik eingebunden. Bei individuellen Farbeinstellungen steht der Text somit direkt auf dem Bild und ist teilweise schwer lesbar.
Wie schon erwähnt, will der Bayerische Rundfunk seine Video- und Audiodateien stärker in den Mittelpunkt des Webauftritts rücken. Tastaturnutzer haben jedoch mit diesen Multimedia-Inhalten ein Problem. Der Flashplayer für Audio- und Videoinhalte kann mit der Tastatur gestartet, aber ansonsten nicht bedient werden. Nach Starten des Players tabbt man zum nächsten fokussierbaren Element nach dem Player. Tabbt man zurück, um beispielsweise den Player zu beenden, bleibt man in einer Tastaturfalle hängen (Firefox). Nutzt man den Internet Explorer, bleibt man beim Rückwärtstabben zwar nicht hängen, aber auch hier sind die Bedienelemente nicht mit der Tastatur erreichbar.
Auch das Kontaktformular birgt Probleme für Tastaturnutzer. Das Pflichtfeld "Einverständniserklärung" (Checkbox) kann mit der Tastatur nicht angesteuert werden. Es handelt sich hier nicht um ein HTML-Formularelement, sondern um eine mit der Tastatur nicht fokussierbare Hintergrundgrafik (eingebunden als span class=checkboxBtn
). Als Fallback (für die Nutzung ohne JavaScript) ist eine "normale" Checkbox vorhanden. Die nützt aber weder sehenden Tastaturnutzern noch Screenreadernutzern. Das Kontaktformular ist unzugänglich, da ein Pflichtfeld nicht bearbeitet werden kann.
Der Bayerische Rundfunk will mit seinem Relaunch "auf der Höhe der Zeit" sein was die Barrierefreiheit angeht, ist er dies leider noch nicht.
Internetadresse: www.br.de
Geprüft am: 30. 11. 2011
Testergebnis: 75 von 100 Punkten (schlecht zugänglich)