19.11.2009
Für die berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen sind Online-Jobbörsen von großer Wichtigkeit. Grund genug also, die Online-Jobbörsen genauer unter die Lupe zu nehmen. BIK wird in loser Folge die größeren Anbieter im Test des Monats prüfen. Wir beginnen die Reihe mit der Jobbörse "Monster".
Für Blinde und Sehbehinderte sind Online-Jobbörsen besonders wichtig, denn Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften sind nicht oder nur schwer zugänglich. Auch für viele motorisch eingeschränkte Menschen sind Druckerzeugnisse nicht oder schlechter handhabbar als Online-Jobangebote vorausgesetzt natürlich, das Online-Angebot ist barrierefrei umgesetzt.
Monster stand zusammen mit anderen Jobbörsen schon einmal auf dem Prüfstand. Im August 2007 machte 'Web for all' einen Test von 30 Online-Jobbörsen auf Barrierefreiheit (PDF) für das Aktionsbündnis für barrierefreie Informationstechnik (AbI). Zum Einsatz kam dabei eine Auswahl von 27 Prüfschritten des BITV-Tests. Bei Monster bemängelte der Test Validität und Schriftskalierbarkeit, Fokushervorhebung, unangekündigte neue Fenster, Frames ohne Titel und die Orientierung im Angebot.
Monster hat inzwischen einen Relaunch hinter sich, deshalb sind die Ergebnisse von 2007 mit denen des jetzt durchgeführten Tests nicht direkt vergleichbar. Trotzdem stellt sich die Frage: Hat Monster dazugelernt und die Site im Zuge des Relaunchs zugänglicher gestaltet?
Der erste Eindruck lässt hoffen: das Layout kommt fast ohne Tabellen und Schriftgrafiken aus, die Navigation ohne grafische Bedienelemente. Der Test zeigt dann jedoch so viele Schwächen, dass schnell klar wird: die Barrierefreiheit hat beim Relaunch der Site offenbar keine Rolle gespielt.
In keinem der 2007 bemängelten Punkte ist nachgebessert worden: Noch immer ist die Schriftgröße im Internet Explorer nicht variabel, noch immer ist die Hervorhebung des Fokus bei Tastaturnutzung und die Orientierung im Webauftritt mangelhaft.
Vieles ist sogar schlechter geworden. War die Website 2007 offenbar noch ohne JavaScript nutzbar, geht jetzt gar nichts mehr ohne Skripte. Die Startseite wird nicht einmal vollständig geladen, die als JavaScript-Link umgesetzte Taste "Suchen" reagiert nicht auf Eingaben. Laut Test von 2007 waren Formularfelder mit Labeln verknüpft. Jetzt hat die wichtigste Funktion, die Jobsuche, Eingabefelder ohne verknüpfte Label: Screenreader-Nutzer müssen hier raten, was wo eingetragen werden muss. Der Test von 2007 fand Monster "auch ohne Maus nutzbar": jetzt lassen sich "Weitere Suchoptionen", ganz wichtig für die Eingrenzung der Suche, von Tastaturnutzern überhaupt nicht ausklappen.
Dass ohne JavaScript überhaupt nichts geht, führt allein schon zur Abwertung der Website auf "schlecht zugänglich". Das Gesamtergebnis entspricht dann diesem Urteil: Monster erreicht nur eine Punktzahl von 62,5 Punkten.
Eine detaillierte Darstellung der Testergebnisse gibt es im Prüfbericht zum BITV-Test von "Monster".
Schon der Test von 2007 bemängelte, dass bei vielen Jobbörsen die detaillierten Stellenbeschreibungen nicht in das bestehende Layout eingebettet sind. Dies verweist auf ein grundsätzliches Problem. Jobbörsen wollen den Firmen, die bei ihnen inserieren, die Möglichkeit bieten, Anzeigen im firmeneigenen Stil einzustellen. Ist man dann über die Suche erst einmal auf einer Stellenanzeige gelandet, bleibt von Monster oft nur eine unscheinbare Navigation im Kopfbereich übrig. Und auch diese ist nicht Pflicht: Inserenten haben die Option, ihre Anzeige ohne jegliche Navigation anzeigen zu lassen. So kommt es vielfach zu unzugänglichen Stellenanzeigen, die zwar als Teil des Angebotes angezeigt werden, sich aber der editorischen Verantwortung von Monster vollständig entziehen (vergleiche Abbildung 1).
Abbildung 1: Selbstgestaltete Stellenanzeige. In diesem beliebigen Beispiel (die Seite wurde nicht getestet) fehlt die Monster-Navigation im Kopfbereich. Die Grafik "Brunel" und das grafische Bedienelement "Jetzt bewerben" sind ohne Alternativtext. Auch aus dem Seitentitel geht für Screenreader-Nutzer nicht hervor, auf was sich der Satz "Wir sind einer der erfolgreichsten Ingenieur- und Technologiedienstleister Deutschlands.." eigentlich bezieht.
Ist es realistisch, von einer kommerziellen Jobbörse wie Monster zu fordern, dass Inserenten ihre selbstgestalteten Stellenanzeigen entweder barrierefrei gestalten oder aber auf die Nutzung eines Web-Templates beschränkt sind, welches Barrierefreiheit so weit wie eben möglich sicherstellt? Vielleicht nicht, wenn man das Argument akzeptiert, dass dadurch dem Anbieter in der Konkurrenz mit anderen Jobbörsen deutliche Wettbewerbsnachteile entstünden.
Wenn also die Verantwortung für die barrierefreie Gestaltung einfach auf den Inserenten abgeschoben wird, kann man immerhin fordern, dass das Werkzeug für die Erstellung oder Einbindung der Stellenanzeige nicht zusätzliche Barrieren erzeugt. Als Leitfaden gibt es hier die Authoring Tool Accessibility Guidelines (ATAG) der WAI, welche zeigen, wie Werkzeuge beschaffen sein sollten, damit sie selbst barrierefrei nutzbar sind und barrierefreie Inhalte erzeugen auch durch Hilfestellungen für Nutzer, die zum Beispiel auf fehlende alt-Attribute bei Bildern oder fehlende Überschriften hingewiesen werden können.
Welchen Anteil haben also Elemente von Monster bei den von Inserenten selbstgestalteten Online-Inseraten? Um das herauszufinden, haben wir für die Prüfung eine Seite ausgewählt, welche die von Monster vorgegebene Kopfnavigation, links einen Kasten "Job-Übersicht", und rechts einen Kasten "Optionen" nutzt (vergleiche Abbildung 2). Wie ist es also mit der Barrierefreiheit dieser simplen Elemente bestellt?
Abbildung 2: Mit dem Monster-Template gestaltete Anzeige. Auch diese Seite ist ohne JavaScript nicht nutzbar
Auch hier läuft ohne JavaScript nichts, die Links "Bewerben" reagieren nicht bzw. erzeugen einen serverseitigen Fehler. Auch die Tastaturnutzung ist mangelhaft: Eine Lightbox, die sich bei Nutzung mit aktiviertem JavaScript nach Auslösen der Taste "Bewerben" im Fußbereich von unten über die Anzeige schiebt, lässt sich mittels Tastatur nicht mehr schließen. Erhebliche Probleme gibt es auch bei der Zoom- und Schriftvergrößerung, der Fokushervorhebung, und bei der Einstellung von benutzerdefinierte Farben. Die Strukturierung durch Überschriften ist schlecht, und die Label im Anmeldeformular der Lightbox sind nicht mit den Formularfeldern verknüpft.
Inserenten, die vorgefertigte Elemente benutzen wollen, werden also gezwungen, unzugängliche Seiten zu erstellen. Denen, die auf Barrierefreiheit Wert legen, bliebe also nur die Option, auf die Monster-Rahmenelemente ganz zu verzichten. Dass man sich überhaupt noch auf dem Monster-Angebot befindet, wäre dann nicht mehr nachzuvollziehen, denn nicht einmal der Seitentitel enthält noch einen Hinweis auf die Jobbörse.
Nach den WCAG 2.0 wird nun nicht mehr generell gefordert, das Angebote auch bei abgeschaltetem JavaScript gleichermaßen funktionieren. Bedeutet das nun, dass der Einsatz von JavaScript, der hier zur Abwertung führt, in einem zukünftigen BITV-Test, der dann den WCAG 2.0 beziehungsweise der für 2010 erwarteten BITV 2 folgt, nicht länger bemängelt würde?
Nach WCAG 2.0 gilt grundsätzlich, dass die eingesetzten Techniken und Formate (zum Beispiel JavaScript oder Flash) die Nutzung mit assistiven Technologien, also zum Beispiel Screenreadern oder Vergrößerungssystemen, ermöglichen müssen.
Ob eine bestimmte Technik zu einem gegebenen Zeitpunkt "accessibility supported" ist, entscheidet das Urteil der Community, also die Fachwelt. Die Nutzung von JavaScript für Zusatzfunktionen (Stichwort "progressive enhancement") wird heute allgemein als unbedenklich eingeschätzt. Schließlich funktioniert das Angebot auch ohne aktiviertes JavaScript, wenn auch vielleicht weniger komfortabel. Dass aber zentrale Funktionen und damit das gesamte Angebot ohne Not bei nicht aktiviertem JavaScript völlig unzugänglich werden, würde auch ein zukünftiger BITV-Test, der sich an den WCAG 2.0 orientiert, wahrscheinlich nicht akzeptieren.
Barrierefreiheit hat sich ganz offenbar noch nicht bis zu Monster rumgesprochen. Man ist dennoch sehr stolz auf sich und die Nominierung für die "Website des Jahres 2009" und bittet seine Nutzer, für Monster abzustimmen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass die wachsende Akzeptanz des Themas Barrierefreiheit und vielleicht auch die Konkurrenz zugänglicherer Jobbörsen bei Monster irgendwann Wirkung zeigt. Der nächste Relaunch wäre fällig.
Internetadresse: www.monster.de
Geprüft am: 04.11.2009
Testergebnis: 62,5 von 100 Punkten (schlecht zugänglich)