Die BITV 2.0 – Was prüft der BITV-Test, was prüft er nicht?

Simone Lerche

Am 21. Mai 2019 ist in Deutschland die aktuellste Version der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 in Kraft getreten. Diese Version brachte inhaltliche Änderungen mit sich. Und auch die Art, wie die Anforderungen dokumentiert sind, unterscheidet sich von der alten Fassung. Im folgenden Artikel wollen wir die BITV 2.0 genauer ansehen und erläutern, was wir im BITV-Test testen und wo wir auf andere Stellen bzw. Materialien verweisen.

Die Anforderungen an barrierefreien Webcontent

Bis Mai 2019 war die BITV mit sogenannten „Prioritäten“ strukturiert: In der Priorität I waren die normativen Anforderungen zu finden, in der Priorität II weitergehende Anforderungen (die AAA-Anforderungen der WCAG), die nur für spezielle Fälle anzuwenden waren.

Jetzt nennt die BITV 2.0 die Anforderungen nicht mehr direkt, sondern verweist in § 3 Anzuwendende Standards auf die geltende, harmonisierte Europäische Norm (EN) 301 549. Die EN gibt im Abschnitt 9 (Web) die Erfolgskriterien der WCAG einschließlich ihrer Konformitätsbedingungen wieder; im Annex A Tabelle A.1 gibt sie einen Überblick über alle normativen Anforderungen, die für Web-Inhalte gelten. Es gelten Anforderungen aus verschiedenen Kapiteln der EN.

Der BIK BITV-Test (Web) bildet alle Anforderungen der EN 301 549 ab, die für Webinhalte gelten. Deshalb wird das Prüfverfahren regelmäßig angepasst und auf den aktuellsten Stand gebracht.

Der BIK WCAG-Test (Web) bildet die jeweils geltende WCAG auf Konformitätslevel AA ab. Auch die Konformitätsbedingungen finden sich im Bewertungsansatz wieder.

Weitere Anforderungen der BITV 2.0

Neben den genannten Anforderungen aus der EN 301 549 definiert die neue BITV 2.0 weitere Anforderungen, die "Öffentliche Stellen des Bundes" (Adressatenkreis gemäß § 12 des Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) erfüllen müssen. Diese gelten in der Regel auch für die Landesebene, siehe Landesgesetzen zu barrierefreier Informationstechnik.

In der BITV 2.0 gibt es einige alte bzw. neue Anforderungen, die zusätzlich zum Standard, der EN 301 549, genannt werden. Im Folgenden stellen wir sie kurz dar und erläutern, ob sie im bestehenden Prüfverfahren des BIK BITV- bzw. WCAG-Tests berücksichtigt werden:

Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache

§ 4 BITV 2.0 definiert: „Auf der Startseite einer Website einer öffentlichen Stelle sind nach Anlage 2 folgende Erläuterungen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache bereitzustellen:

  • Informationen zu den wesentlichen Inhalten,
  • Hinweise zur Navigation,
  • eine Erläuterung der wesentlichen Inhalte der Erklärung zur Barrierefreiheit,
  • Hinweise auf weitere in diesem Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache.“

Inhaltlich neu sind die Erläuterungen zu den wesentlichen Inhalten der Erklärung zur Barrierefreiheit (Listenpunkt 3). Ansonsten waren Bundesbehörden auch bisher schon zu den genannten Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache verpflichtet.

Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache zu prüfen, ist nicht Teil des BIK BITV- / WCAG-Tests. Das hatte bisher vornehmlich zwei Gründe: Zum einen ist die Gesetzgebung auf Bundes- und Länderebene nicht durchgehend deckungsgleich. Es müsste also vorab geprüft werden, ob der anfragende Anbieter überhaupt verpflichtet ist. Zum anderen ist es nicht einfach, die Qualität insbesondere von Deutscher Gebärdensprache bewerten zu können. Es ist beispielsweise nicht ausreichend, formale Kriterien zu prüfen, etwa ob die Kleidung der Sprecher*in dunkel ist, sondern auch die Verständlichkeit der Gebärden.

Wir führen daher in der Beschreibung des Prüfverfahrens in den Punkten 1 und 4 an, dass wir Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache nicht testen, verweisen aber auf den BIK Leitfaden Leichte Sprache und Gebärdensprache, der die Umsetzung unterstützt.

Erklärung zur Barrierefreiheit

§ 7 BITV 2.0 definiert, dass Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen eine "Erklärung zur Barrierefreiheit" einbinden müssen. Der Artikel sowie der Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1523 erläutern, wie die Erklärung zur Barrierefreiheit inhaltlich gestaltet und veröffentlicht werden muss.

Natürlich kann der Test die Grundlage der Erklärung zur Barrierefreiheit liefern, da die Angaben ja auf der Basis einer tatsächlichen Bewertung zu erstellen sind (laut § 7 Absatz 5 BITV 2.0).

Die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung zur Barrierefreiheit ist jedoch nicht Teil des BIK BITV-Tests. Das trifft auch zu, wenn eine bestehende Erklärung zur Barrierefreiheit als Web-Dokumentation Teil der Seitenauswahl eines BITV-Tests ist: Sie wird auch dann nur auf Konformität mit den relevanten Anforderungen aus EN 301 549, Kapitel 12 Documentation and support services überprüft (vgl. Prüfschrittverzeichnis, Prüfschritte unter "Dokumentation und Support").

Wir weisen in der Beschreibung des Prüfverfahrens unter den Punkten 1 und 4 darauf hin. Daneben erläutern wir in unserem Artikel Die Erklärung zur Barrierefreiheit, wie die Erklärung umgesetzt werden muss. Dort findet man auch einen Link zur Mustererklärung der EU-Kommission, die als Grundlage dienen sollte, sowie Verweise auf Ressourcen der Bundesfachstelle Barrierefreiheit bzw. der Überwachungsstellen der Länder. Bei erfolgreichen Zertifizierungen weisen wir die Anbieter explizit auf die rechtlichen Vorgaben zur Umsetzung der Erklärung hin.

Barrierefreie PDF-Dokumente

Zu Websites gehören auch PDF-Dokumente und auch diese müssen barrierefrei zur Verfügung gestellt werden. Die BITV 2.0 definiert in § 3 Absatz 3: "Soweit Nutzeranforderungen oder Teile von Angeboten, Diensten oder Anwendungen nicht von harmonisierten Normen abgedeckt sind, sind sie nach dem Stand der Technik barrierefrei zu gestalten." Das bedeutet, dass für die barrierefreie Gestaltung von PDF-Dateien neben dem Abschnitt 10 (Non-web documents) der EN 301 549 auch die ISO-Norm 14289-1:2012-07 (PDF/UA) berücksichtigt werden muss. Dass PDF/UA in der Begründung der Neufassung der BITV 2.0 im Bundesgesetzblatt genannt wird zeigt, dass der Standard für die Umsetzung relevant ist.

Wir prüfen im BIK BITV- bzw. WCAG-Test (Web) nur HTML. PDF-Dokumente werden nicht geprüft. Darauf weisen wir in der Beschreibung des Prüfverfahrens unter den Punkten 1 und 4  hin.

Für PDF-Dokumente ist ein separates Prüfverfahren notwendig, das ähnlich umfassend ist, wie der BITV-Test selbst. Eine Herausforderung zeigt sich beispielsweise bereits in der Auswahl der zu prüfenden PDF-Dokumente. Insbesondere bei größeren Webangeboten gibt es sehr viele PDF-Dokumente, die aus unterschiedlichen Quellen kommen. Wollte man ähnlich repräsentativ vorgehen, wie hinsichtlich HTML-Prüfverfahren, müsste man eine separate repräsentative Auswahl für Dokumente machen, denn die Aussage über ein PDF, das zufällig in der Seitenauswahl des Webauftritts ist, ist nicht sehr aussagekräftig im Hinblick auf den gesamten Webauftritt.

Die Prüfung von PDF-Dokumenten müsste separat beauftragt werden: Dafür verweisen wir unverbindlich auf die Dienstleistung einzelner BIK Prüfstellen bzw. auf andere PDF-Expert*innen.

Das Wichtigste in Kürze

Mit dem BITV-Test bieten wir ein Prüfverfahren für die zuverlässige Prüfung von Webangeboten gemäß der Europäischen Norm (EN) 301 549, auf die die BITV 2.0 verweist.

Weitergehende Anforderungen, etwa die korrekte Umsetzung der Erklärung zur Barrierefreiheit bzw. von Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache oder die Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten sind nicht Bestandteil des Tests. Hierum sollten sich öffentliche Stellen also zusätzlich kümmern, z. B. durch die Beauftragung von spezialisierten Anbietern. Als Hilfe zur Umsetzung haben wir verschiedene Blog-Artikel veröffentlicht.

Es ist uns wichtig, dass der Test handhabbar und der Aufwand und damit auch die Kosten für Anbieter oder Entwicklungsteams im Rahmen bleiben. Wir bemühen uns, transparent zu machen, was geprüft wird und was nicht, d. h. deutlich zu machen, auf was sich die Testergebnisse beziehen.