Beschreibung des Prüfverfahrens (Web)

Das hier dargestellte Verfahren beschreibt die umfassende und zuverlässige Prüfung der Barrierefreiheit von Webangeboten und Webanwendungen. Ergänzt wird das Verfahren durch das Verzeichnis der Prüfschritte und die Werkzeugliste.

1. BITV- und WCAG-Test

BIK bietet drei Testmöglichkeiten: den BIK BITV-Test (Web), den BIK BITV-Test + WCAG 2.2 (Web) und den BIK WCAG-Test (Web).

  1. Mit dem BIK BITV-Test (Web) werden die Barrierefreiheitsanforderungen überprüft, die die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 im § 3 ‚Anzuwendende Standards‘ für den Webbereich definiert, nämlich die Anforderungen der EN 301 549 V3.2.1 (2021-03) (PDF, 2,17 MB), im Folgenden kurz "EN". Die EN enthält für Web-Angebote nicht nur die Anforderungen der WCAG 2.1, die in Kapitel 9 wiedergegeben sind, sondern auch weitere Anforderungen aus anderen Kapiteln, auf die in der Tabelle A1 des Annex A der EN verwiesen wird. Seit 1. März 2021 enthält der BITV-Test deshalb 32 weitere Prüfschritte, die Anforderungen aus den Kapiteln 5, 6, 7, 11 und 12 abdecken. Am 12. Februar 2022 kamen durch die Aktualisierung der EN 301 549 auf V3.2.1 sechs weitere Prüfschritte zu Anforderungen der Kapitel 6 und 7 hinzu.

  2. Der BIK BITV-Test + WCAG 2.2 (Web) prüft die Anforderungen der EN 301 549 sowie die zusätzlichen Anforderungen, die WCAG 2.2 für die Konformitätsstufe AA formuliert. Hintergrund für dieses erweiterte, zusätzliche Verfahren ist, dass die EN 301 549 derzeit für die Umsetzung des European Accessibility Acts überarbeitet wird (siehe M/587). Im Rahmen dieser Revision soll sie auch auf WCAG 2.2 aktualisiert werden. Der Zeitplan lässt jedoch erwarten, dass die Veröffentlichung der neuen EN 301 549 im Amtsblatt der Europäischen Union erst Ende 2025 / Anfang 2026 stattfindet. Erst damit wird die Norm zur „harmonisierten Norm“ und damit für Webseitenanbieter, die über Bundes- oder Landesgesetze harmonisierten Normen verpflichtet sind, bindend. Webanbieter können zwischenzeitlich wählen, ob sie sich nach der geltenden EN oder zukunftssicher nach dem erweiterten Verfahren inklusive sechs neuer WCAG-2.2-Prüfschritte auf Konformitätsstufe AA testen lassen wollen (ab Dezember 2023 verfügbar).

  3. Der BIK WCAG-Test (Web) prüft eine Untermenge der Anforderungen des BITV-Tests. Es werden die Anforderungen der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 auf Konformitätsstufe AA überprüft (ab Dezember 2023: gemäß WCAG 2.2 auf Konformitätsstufe AA).

Die BITV 2.0 definiert auch weitere Anforderungen, die von den Adressaten eingehalten werden müssen, etwa

  • Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache: § 4 BITV 2.0 definiert: "Auf der Startseite einer Website einer öffentlichen Stelle sind (...) Erläuterungen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache bereitzustellen". Diese Erläuterungen zu prüfen, ist jedoch nicht Teil des BITV- / WCAG-Tests.

  • Erklärung zur Barrierefreiheit: § 7 BITV 2.0 definiert, dass Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen eine "Erklärung zur Barrierefreiheit" einbinden müssen. Ein BIK BITV- / WCAG-Test kann die Grundlage für eine Erklärung zur Barrierefreiheit liefern, da die Angaben auf der Basis einer tatsächlichen Bewertung zu erstellen sind (laut § 7 Absatz 5 BITV 2.0). Die Überprüfung der Erklärung zur Barrierefreiheit selbst aber ist nicht Teil des BITV- / WCAG-Tests.

  • Barrierefreie PDF-Dokumente: Zu Websites gehören auch PDF-Dokumente. Auch diese müssen barrierefrei zur Verfügung gestellt werden. Die BITV 2.0 definiert in § 3 Absatz 3: "Soweit Nutzeranforderungen oder Teile von Angeboten, Diensten oder Anwendungen nicht von harmonisierten Normen abgedeckt sind, sind sie nach dem Stand der Technik barrierefrei zu gestalten." Das bedeutet, dass für die barrierefreie Gestaltung von PDF-Dateien neben dem Abschnitt 10 (Non-web documents) der EN auch die ISO-Norm 14289-1:2012-07 (PDF/UA) berücksichtigt werden muss. Mit dem BITV- / WCAG-Test prüfen wir HTML-Seiten, PDF-Dokumente werden nicht geprüft.

Ausführliche Informationen, auf was sich die Ergebnisse des BIK BITV-/WCAG-Tests beziehen, finden sich im Artikel: Die BITV 2.0 – Was prüft der BITV-Test, was prüft er nicht?

1.1 Hintergrund des Prüfverfahrens

Das hier beschriebene Prüfverfahren ist angelehnt an den Leitfaden zur Prüfung von Webauftritten des W3C, die Website Accessibility Conformance Evaluation Methodology (WCAG-EM) 1.0.

1.2 Bewertungsansatz des BIK BITV-Tests

Die Prüfschritte im aktuellen BIK BITV-Test werden nach dem fünfstufigen Bewertungsschema (erfüllt / eher erfüllt / teilweise erfüllt / eher nicht erfüllt / nicht erfüllt) bewertet. Eine Anforderung kann jedoch nur dann mit "konform" bewertet werden, wenn untergeordnete Prüfschritte mit "erfüllt" oder "eher erfüllt" bewertet wurden, alle Bewertungen, die schlechter sind (also "teilweise erfüllt" bis "nicht erfüllt") werden als Nicht-Erfüllung dieser Anforderung gewertet. Anforderungen wie 1.3.1 Informationen und Beziehungen, die mehrere Prüfschritte enthalten, sind demnach nur dann erfüllt, wenn alle untergeordneten Prüfschritte mit "erfüllt" oder "eher erfüllt" bewertet wurden.

1.3 Umstellung des Bewertungsschemas

Die BITV 2.0 verweist direkt auf die geltende EN 301 549, deren Abschnitt 9 die Erfolgskriterien der WCAG 2.1 und in Abschnitt 9.6  die Konformitätsbedingungen (WCAG conformance requirements) reproduziert. Der BIK BITV-Test (Web) folgt deshalb dem Konformitätsansatz der WCAG. Die Punktbewertung, die in der Vergangenheit die Ergebnisse verschiedener geprüfter Seiten zu einem Punkte-Gesamtergebnis für das Angebot mittelte, ist unter diesen Umständen zurzeit nicht angemessen.

Im PDF-Prüfbericht ist sowohl die abgestufte Bewertung wie auch die Konformitätsauswertung zu sehen, im HTML-Prüfbericht ist wahlweise eine Ansicht mit abgestuften Bewertungen oder die Konformitätsauswertung möglich. Das hat für Entwickler und Redakteure, die die Testergebnisse nutzen, den Vorteil, dass sie aus den abgestuften Bewertungen besser Prioritäten für Verbesserungen des Angebots ableiten können als aus einem erfüllt / nicht-erfüllt-Ergebnis.

1.4 Geltungsbereich der Prüfung

Die volle Konformität einer Seite kann nur erreicht werden, wenn alle BITV-Anforderungen der EN 301 549 erfüllt sind. Entsprechend werden in der Auswertung die einzelnen Anforderungen als erfüllt / nicht erfüllt aufgelistet. Grundsätzlich lässt sich im jetzigen Konformitätsmodell der WCAG Konformität nur für einzelne Seiten feststellen, nicht für ganze Websites oder ausgewählte Elemente oder Prozesse auf diesen Sites.

Aus praktischen Gründen ist bei den meisten Angeboten keine vollständige Prüfung aller Seiten realistisch. Im BIK BITV-Test besteht deshalb der Anspruch, in der Seitenauswahl alle wichtigen Seitentypen und Webinhalte und gegebenenfalls auch dynamische Ansichten und Prozesse abzubilden. Prozesse müssen gemäß der in der EN referenzierten WCAG-Konformitätsanforderung „Komplette Prozesse" ganz erfasst sein. Das zugrundeliegende Testverfahren ermöglicht damit eine Einschätzung der Barrierefreiheit des gesamten Angebots. Das Prüfzeichen "BIK-konform (geprüfte Seiten)" weist jedoch darauf hin, dass der Konformitätsanspruch sich nur auf die tatsächlich geprüften Seiten erstrecken kann. Für den Rest der Seite gilt nur eine Konformitätsvermutung.

Es ist auch wichtig zu verstehen, dass die Konformität einer Web-Seite nur für den Zeitpunkt des Tests bestätigt werden kann. Änderungen des Angebots können bedeuten, dass eine einmal bestätigte Konformität möglicherweise dann nicht mehr gegeben sein kann.

2. Technische Voraussetzungen

Die technischen Anforderungen zur Durchführung der Tests sind in der Werkzeugliste definiert.

Um einheitliche technische Prüfvoraussetzungen sicherzustellen, sind das einzusetzende Betriebssystem und die zu nutzenden Browser in der jeweils aktuellsten Version. Wo vorhanden werden für Tests deutschsprachiger Angebote deutschsprachige Programmversionen eingesetzt. Ein wichtiger Bestandteil bei der Prüfung dynamischer Widgets (Menüs, Dialoge, Tabpanels, Karussells usw.) ist der zusätzliche Einsatz eines Screenreaders. Hier nutzt der BIK BITV-Test den NVDA-Screenreader in Firefox und Chrome.

Viele Anforderungen lassen sich auf verschiedene Weise mit verschiedenen Prüfwerkzeugen prüfen, etwa über Bookmarklets oder auch über Werkzeuge in den Developer Tools der Browser. Die Hinweise auf konkrete Werkzeuge in den Prüfschritten schließen also nicht aus, dass die Seiten auch auf anderem Weg, mit anderen Werkzeugen geprüft werden können. Was zählt, ist ein valides, reproduzierbares Ergebnis. Prüfer*innen sind angehalten, ihre Werkzeuge aktuell zu halten, sich der Funktionsfähigkeit ihrer Prüfumgebung zu vergewissern und auftretende Probleme oder abweichende Ergebnisse an die Testentwicklung zu melden.

Es ist zweckmäßig, über die in der Werkzeugliste genannten Browser und Prüfwerkzeuge hinaus auch andere Browser und Werkzeuge zusätzlich einzusetzen und ggf. auch unterschiedliches Verhalten in unterschiedlichen Prüfumgebungen zu ermitteln und im Prüfreport zu dokumentieren.

3. Rahmenbedingungen der Prüfung

Die meisten Anforderungen der WCAG bzw. der BITV können nicht automatisch sichergestellt oder überprüft werden. Basis der Prüfung sind Einschätzungen von Expert*innen. Dieser Abschnitt beschreibt die Rahmenbedingungen der Prüfung und die erforderliche Qualifikation der Prüfenden.

3.1. Zusammenarbeit von Prüfer*innen und Qualitätssicherung

Jeder BIK BITV-Test erfährt eine umfassende externe Qualitätssicherung (QS). Der Prüfende und die beauftragte Qualitätssicherung sollen in der Regel unterschiedlichen Prüfstellen angehören, um eine unabhängige Validierung der Ergebnisse sicherzustellen.

Bis Ende Februar 2021 wurde der abschließende BITV-Test von parallel zwei Prüfer*innen durchgeführt, die hinterher ihre Ergebnisse abstimmten. Dieses Verfahren bürgt für hohe Qualität, ist aber auch sehr aufwändig. Seit dem 01.03.2021 wird der Konformitätstest nurmehr von einer Prüferin oder einem Prüfer durchgeführt. Um weiterhin Prüfungen von hoher Qualität sicherzustellen, wird nun die externe Qualitätssicherung mit deutlich höherem Aufwand durchgeführt.

3.2. Qualifikation der Prüfer*innen

Die Qualifikation der Prüfenden ist eine wichtige Voraussetzung für die richtige Anwendung des BIK BITV- bzw. WCAG-Tests. Prüfer*innen sind mit den Grundlagen der HTML-Programmierung und mit geltenden Konzepten des barrierefreien Webdesigns vertraut. Sie kennen das Verfahren des BITV- bzw. WCAG-Tests und können die Prüfschritte des Tests sicher anwenden. Der BITV-Prüfverbund hält ein festgelegtes Verfahren zur Qualifizierung vor. Nur bei erfolgreichem Abschluss der Qualifizierung werden Prüfer*innen in den BIK Prüfverbund aufgenommen.

3.3. Einheitlicher Bewertungsansatz, Abstimmung von Bewertungen

Damit Testergebnisse vergleichbar und wiederholbar sind, müssen die Prüfer*innen ihre Bewertungsspielräume in möglichst ähnlicher Weise nutzen. Um einen möglichst einheitlichen Bewertungsansatz im BIK Prüfverbund zu gewährleisten, gibt es verschiedene Mechanismen:

  1. Die ausführlichen Rückmeldungen der Qualitätssicherung (QS) durchgeführter Tests an die Prüfenden: Das wichtigste Instrument zur Sicherstellung eines möglichst einheitlichen Bewertungsansatzes ist der stete Austausch zwischen Prüfenden und QS bei jedem durchgeführten Test. In Tests tauchen immer wieder Bewertungsfragen auf, die sowohl zwischen Prüfer*in und QS als auch darüber hinaus unter den QS-Prüfenden diskutiert und abgestimmt werden.

  2. Diskussionen auf der Mailingliste: Die Prüfer*innen nutzen die Mailingliste, um Fragen, die sich bei der Bewertung von Web-Angeboten ergeben, mit anderen BIK Prüfenden und der BIK Testentwicklung zu diskutieren.

  3. Issues und Pull Requests auf GitHub: Offene Fragen bezüglich Bewertungen und Pürfschritten können seit März 2020 bei den BIK BITV-Test Prüfschritten auf GitHub mithilfe von Issues diskutiert werden. Das Anlegen solcher Issues steht allen interessierten Personen offen. Änderungsbedarfe bezüglich der Prüfschritte oder Bewertung, etwa bei neuen Web-Techniken, werden hier besprochen und führen gegebenenfalls zu Änderungen an den Prüfschritten über GitHub Pull Requests. Zum Ende eines Quartals wird ein neues Release der Prüfschritte veröffentlicht. Über ein Änderungsprotokoll, das auf GitHub einsehbar ist, sind die Änderungen transparent dokumentiert.

  4. Workshops über Fragen der Prüfung und Bewertung: Es finden regelmäßig Online-Workshops statt, in denen BIK Prüfer*innen die aktuellen Fragen bezüglich Prüfung und Bewertung diskutieren.

3.4. Ablauf der Qualitätssicherung

Für jeden BITV-Test wird eine gründliche Qualitätssicherung (QS) durchgeführt. Die QS muss dafür in gleicher Weise Zugang zum Prüfgegenstand haben wie die prüfende Person. Die QS prüft  sowohl die Plausibilität der Anmerkungen und Bewertungen im Prüfreport, als auch ob diese im Sinne der Prüfschrittbeschreibungen korrekt sind und der bisherigen Bewertungspraxis entsprechen.

Prüfende sind angehalten, schon während des Tests offene Fragen der Bewertung mithilfe des Prüfwerkzeugs für die zuständige QS zu dokumentieren. Damit wird sichergestellt, dass diese berücksichtigt und geklärt werden. Die QS gibt detaillierte Rückmeldungen an die Prüfenden und die Prüfergebnisse werden dann auf Basis dieser Rückmeldungen ergänzt bzw. korrigiert.

4. Definition des Prüfgegenstands

Die Festlegung des Prüfgegenstandes erfolgt in Rücksprache mit der auftraggebenden Organisation. Bei einem BIK BITV-Test (Web) ist der Prüfgegenstand in der Regel das gesamte Webangebot. Mit dem Auftraggeber wird geklärt, welche Seiten und Bereiche gegebenenfalls nicht dem zu prüfenden Webangebot zuzurechnen sind.

Bei einem BITV-Test, dessen Ergebnis veröffentlicht und damit als Konformitätsnachweis dienen soll, muss in jedem Fall nachvollziehbar sein, auf welchen Prüfgegenstand sich Prüfbericht und Prüfsiegel beziehen.

Hinweis: Die Definition des Prüfgegenstandes ist etwas anderes als die Seitenauswahl. Die repräsentative Seitenauswahl (siehe Abschnitt 6) wird für den definierten Prüfgegenstand vorgenommen. Der Auftraggeber kann nur bei der Festlegung des Prüfgegenstandes, nicht aber bei der Auswahl der zu prüfenden Seiten mitreden. Wird eine nicht repräsentative Auswahl geprüft oder legt der Kunde eine Auswahl bestimmter Seiten fest, sind die Ergebnisse des Tests nur intern zu nutzen. Sie dürfen dann nicht veröffentlicht oder für Konformitätsaussagen in einer Erklärung der Barrierefreiheit genutzt werden.

4.1. Was gehört zum Prüfgegenstand?

Im Idealfall ist der Prüfgegenstand mit der Angabe der Adresse des zu prüfenden Webauftritts hinreichend klar festgelegt und abgegrenzt: Alle Seiten "unter" der Startadresse gehören dazu, das Erscheinungsbild des Webangebots ist einheitlich, die Sitemap zeigt, was zum Umfang des zu prüfenden Webangebotes gehört.

Oft ist die Abgrenzung des Prüfgegenstandes aber nicht so einfach. Es gibt (möglicherweise mit gutem Grund) Bereiche, die anders aussehen, aber trotzdem zum Prüfgegenstand gehören. Und der umgekehrte Fall: Es gibt Bereiche, die ein Besucher zum Webangebot rechnen würde, die aber nicht mitgeprüft werden sollen.

Grundsätzlich gehören zum Prüfgegenstand:

  • Mobile Ansichten: Viele Webseiten sind heute auf die mobile Nutzung angepasst und bieten ein responsives Design. Die Anforderungen an barrierefreies Design gelten auch für die mobilen Ansichten und werden grundsätzlich mitgeprüft.
  • Teile von Webseiten, die eine andere Webadresse haben, aber trotzdem zum Webauftritt gehören, z.B. ein Online-Shop.
  • Inhalte und Dienste von Drittanbietern
  • Foren, Kommentare von Lesern
  • Integrierte Funktionen (etwa Suchfunktionen)
  • Historische, nicht mehr gepflegte Bereiche
  • Bereiche für spezielle Benutzergruppen (zum Beispiel für Kinder)
  • Unterschiedliche Sprachversionen
  • Versionen für unterschiedliche Benutzergruppen
  • Multimediale Inhalte wie Online-Videos oder Audiodateien

Nicht zum Prüfgegenstand gehören:

  • Werbung, soweit sie vom Layout deutlich vom redaktionellen Inhalt abgegrenzt ist und die Nutzung der eigentlichen Inhalte nicht beeinträchtigt. Um die Nutzung nicht zu beeinträchtigen, muss Werbung die vier unter WCAG 2.1 Punkt 5.2.5 Non-Interference genannten Erfolgskriterien erfüllen, nämlich 1.4.2 Audio-Kontrolle, 2.1.2 Keine Tastaturfalle, 2.2.2 Anhalten, beenden, ausblenden sowie 2.3.1 Dreimaliges Aufblitzen — Unterschreiten der Schwellenwerte.
  • Verlinkte Webseiten anderer Anbieter gehören zwar nicht zum Prüfgegenstand, vom Anbieter selbst veröffentlichte Fremdinhalte sind dagegen Bestandteile seines Webangebotes. Die "Historie" eines Inhalts ist also nicht entscheidend, sondern es kommt darauf an, wer den Inhalt im Web veröffentlicht hat.
  • Erläuterungen in Leichter Sprache und Gebärdensprache gemäß § 4 BITV 2.0,
  • PDF-Dokumente und
  • die inhaltliche Richtigkeit der Erklärung zur Barrierefreiheit gemäß § 7 BITV 2.0.
  • Versionen des Angebots, die mithilfe des Overlay-Tools mit individuellen Nutzereinstellungen erzeugt werden (zur Begründung, siehe 5. Prüfbarkeit des Webauftritts: 5.1 Alternativversionen).

4.2. Zulässige Abgrenzung des Prüfgegenstandes

Es können auch Teilbereiche von Webangeboten geprüft werden. Aber nicht jede Abgrenzung ist zulässig: Die Abgrenzung muss plausibel und akzeptabel sein. Das bedeutet: Das eigentliche Angebot eines Webauftritts kann normalerweise nicht ausgeklammert werden, das zu prüfende Webangebot muss für sich (also ohne den ausgeklammerten Bereich) sinnvoll nutzbar sein. Orientierung bietet die Website Accessibility Conformance Evaluation Methodology (WCAG-EM) 1.0: Sie lässt zu, Unterbereiche unabhängig von der Hauptseite zu prüfen, schließt aber aus, bei der Prüfung der Hauptseite Unterbereiche auszuklammern.

Falls nicht das gesamte Webangebot geprüft wird, muss die Abgrenzung des Prüfgegenstandes ausdrücklich festgelegt und dokumentiert werden.

Es muss für den Nutzenden leicht nachvollziehbar sein, worauf sich ein Prüfzeichen bezieht und welche Bereiche des Webangebots ausgeklammert wurden.

5. Prüfbarkeit des Webauftritts

Im Zuge der Festlegung des Prüfgegenstandes wird auch geklärt, ob der Webauftritt überhaupt geprüft werden kann. Für die Prüfung mancher Webauftritte, etwa solcher, die für wichtige Inhalte Canvas nutzen, ist der BITV-Test als Prüfinstrument nicht geeignet.

5.1. Alternativversionen

BITV und WCAG lassen nur in Ausnahmefällen konforme Alternativversionen beim Einsatz nicht barrierefreier Techniken zu. Grundsätzlich sind Sonderlösungen zu vermeiden, konforme Alternativversionen sind nur für solche Angebote vorgesehen, die sich beim jeweiligen Stand der Technik nicht barrierefrei umsetzen lassen. Oder es muss einen guten Grund geben, um den Einsatz von Alternativversionen zu akzeptieren. Einleuchtende Gründe können etwa sein: Es wird eine neue Technik verwendet, die für viele Nutzer von Vorteil ist, die aber von bestimmten Hilfsmitteln noch nicht unterstützt wird. Oder bestehende Seiten dürfen aus rechtlichen Gründen nicht verändert werden.

Für eine konforme Alternativversion gilt, dass sie die gleichen Informationen und Funktionalitäten bieten muss und genauso aktuell sein muss wie die Originalversion. Alternativversionen sollen durchgängig gut erreichbar sein. Der Standort des Nutzenden innerhalb des Angebots und innerhalb angebotener Versionen muss klar sein. Links oder Schaltflächen von der Standardversion zur Alternativversion müssen alle Anforderungen an Barrierefreiheit erfüllen.

Es gibt allerdings Angebote, in denen die Bereitstellung einer konformen und gleichwertigen Alternativversion nicht möglich ist, da HTML die benötigten Funktionen nicht bereitstellt. Der BITV-Test ist dann auf solche Angebote nicht anwendbar, denn er enthält derzeit kein Verfahren zur Prüfung der Zugänglichkeit von Inhalten, die nicht auf der Basis von HTML hergestellt wurden oder mit den verfügbaren Werkzeugen nicht geprüft werden können (etwa bei Canvas-Inhalten).

Die beiden möglichen Konsequenzen:

  • Wenn nicht prüfbare Bereiche für die Benutzung des Webangebotes nicht wesentlich sind, dann kann der Prüfumfang entsprechend eingeschränkt werden. In der Beschreibung des Prüfgegenstandes muss dann vermerkt sein, dass der entsprechende Bereich nicht in die Prüfung eingeschlossen ist.
  • Wenn ein nicht prüfbarer Bereich ein wesentlicher Bestandteil ist, kann das Webangebot nicht geprüft werden.

Versionen des Angebots, die mithilfe eines Overlay-Tools mit individuellen Nutzereinstellungen erzeugt werden

Nicht zum Prüfgegenstand gehören Versionen des Angebots, die mithilfe des Overlay-Tools mit individuellen Nutzereinstellungen erzeugt werden.

Die WCAG verlangen für die Konformität eines Angebots eine barrierefreie Version. Overlay-Tools, die in der Regel abhängig von vorgenommenen Einstellungen durch Nutzende eine große Anzahl unterschiedlichster Darstellungen der Seite erzeugen, erfüllen diese Anforderung nicht. Es gibt keine Version, die explizit als die eine konforme Alternativ-Version ausgewiesen ist.

Für Alternativ-Versionen, welche Mängel der Standardversion ausgleichen (etwa zu geringe Kontraste), gelten bestimmte Anforderungen. Zum Beispiel muss die konforme Alternativ-Version für die Nutzenden über einen barrierefreien Schalter oder Link erreichbar bzw. aktivierbar sein. Nutzende müssen hingegen in Overlay-Tools aus einer Reihe von Einstellungsmöglichkeiten auswählen. Es bleibt für sie unklar, ob sie damit eine konforme Version erzeugen, die alle Standard-Anforderungen erfüllt.

Overlays erfüllen diese Konformitätsbedingungen nicht und werden deshalb nicht bei der Prüfung berücksichtigt.

5.2. Textversionen

Alternative Textversionen sind kein geeignetes Mittel für die Herstellung der Zugänglichkeit von Webauftritten. Webauftritte, die Textversionen sind, die also insgesamt als Alternativen für andere, "normale" Webauftritte gedacht sind und angeboten werden, können daher mit dem BITV-Test nicht geprüft werden.

Dagegen kann der BITV-Test auch auf Webauftritte mit Textversion angewendet werden. Gegenstand der Prüfung sind dann allerdings nicht die Seiten der Textversion, geprüft wird nur die "Normalversion".

Eine nicht notwendige Textversion wird bei der Bewertung der Konformität nicht berücksichtigt.

6. Seitenauswahl

Bei umfangreichen Webangeboten ist die vollständige Prüfung sämtlicher Seiten praktisch ausgeschlossen, sie wäre zu aufwendig. Für die Prüfung werden daher einzelne Seiten, Seitenzustände und Prozesse ausgewählt. Diese Auswahl muss repräsentativ sein: Das Ergebnis der Prüfung soll übertragbar sein und somit für den gesamten Webauftritt gelten.

6.1. Analyse des Webauftritts

In einem ersten Schritt wird das Webangebot ausführlich untersucht, um ein grundsätzliches Verständnis für den Zweck, die Bedienung und die Funktionalitäten des Angebots zu erlangen.

Fragestellungen sind hierbei:

  • Welche Seiten sind besonders wichtig für die gesamte Nutzbarkeit des Auftritts, z.B. Eingangsseite, Login-Seiten, Sitemap usw.?
  • Welche Funktionalitäten bietet der Webauftritt? Beispiele sind: Produkte auswählen und kaufen, Anzeigen aufgeben, Formulare ausfüllen und abschicken.
  • Welche unterschiedlichen Seitentypen sind vorhanden? Dies betrifft etwa Layout, Navigation, Formulare, Tabellen, Textseiten, etc.
  • Welche Web-Technologien werden genutzt? Z.B. HTML, WAI-ARIA, Java, PDF
  • Welche Prozesse bietet die Website? Welche Seitenzustände gibt es?

6.2. Seitenauswahl durchführen

Nach der Analyse des Webauftritts wird die Seitenauswahl getroffen.

6.2.1. Unabhängige Seitenauswahl

Eine repräsentative Seitenauswahl hat entscheidenden Einfluss auf das Prüfergebnis. Wenn ein Test veröffentlicht werden und als Konformitätsnachweis dienen soll, muss sie daher unabhängig sein. Das heißt, die Prüfstelle führt die Seitenauswahl durch und sie kann von der auftraggebenden Organisation nicht vorgegeben oder mitbestimmt werden. Die Prüfstelle teilt der Organisation die konkreten zu prüfenden Seiten vorab nicht mit. Auch darf das Ergebnis des Auswahlverfahrens für Außenstehende nicht vorhersehbar sein. Das verhindert, dass Auftraggeber nur jene Seiten selektiv optimieren, die geprüft werden.

6.2.2. Anzahl der Seiten

Die Anzahl der auszuwählenden Seiten richtet sich nach der Komplexität des Angebots, also der Anzahl unterschiedlicher Seitentypen und Seiteninhalte. Die Minimalanzahl bei einfachen, kleinen und einheitlich gestalteten Webangeboten sind drei Seiten, bei komplexen Angeboten können es 5-10 oder auch mehr Seiten sein.

6.2.3. Sämtliche Barrieren erfassen

Das Ziel ist, mit möglichst wenigen ausgewählten Seiten möglichst alle wesentlichen Seitentypen und Seiteninhalte und damit alle vorhandenen Barrieren zu erfassen. Erst auf dieser Basis ist eine verlässliche Aussage über die Barrierefreiheit des gesamten Webangebots möglich.

6.2.4. Zentral wichtige Seiten einbeziehen

Immer in die Seitenauswahl gehören Seiten, die für die Nutzung zentral wichtig sind, z. B. die Startseite, Login-Seite, Bereichs- und Inhaltsseiten, Kontakt-Seite, Such-Seiten bzw. Suchergebnisseiten, oder die Erklärung zur Barrierefreiheit mit dem Feedback-Mechanismus. Welche Seiten jeweils zentral wichtig sind, hängt stark vom Angebot ab.

6.2.5. Unterschiedliche Seitentypen einbeziehen

Webauftritte weisen in der Regel verschiedene Seitentypen auf: Einzelne Seiten oder Bereich unterscheiden sich etwa hinsichtlich Struktur, Layout, Navigation oder beinhalten spezielle Elemente wie Tabellen, Formulare, Date Picker, Pop-up-Fenster, Videos, usw.

Unterschiedliche Seitentypen gibt es aber auch dann, wenn der Webauftritt nur zum Teil auf ein neues Design umgestellt worden ist, d.h. nicht einheitlich gestaltet ist oder mehrere eigenständige Bereiche zusammenfasst.

Da unterschiedliche Seitentypen oft große Unterschiede in der Unterstützung von Barrierefreiheit aufweisen, müssen in die Seitenauswahl alle Seitentypen einbezogen werden.

6.2.6. Seiten, die Dokumentation bieten, miteinbeziehen (auch die "Erklärung zur Barrierefreiheit")

Die neuen Prüfschritte aus Kapitel 12 der EN 301 549 "Dokumentation und Support" verlangen die Prüfung von Seiten die Dokumentation bieten. Diese Seiten sollen deshalb in die Seitenauswahl einbezogen werden. Das betrifft etwa:

  • Dokumentationsseiten in Webanwendungen, die bestimmte Funktionen oder auch Tastaturkurzbefehle erläutern
  • Webbasierte Dokumentation, welche der Support von Webanwendungen auf Anfrage zusätzlich zur Verfügung stellt
  • Die Dokumentation zusätzlicher Barrierefreiheitsfunktionen (z.B. Vorlesefunktionen. Anpassungen von Kontrasten, Schriftgrößen, Abständen usw.)
  • Die "Erklärung zur Barrierefreiheit", soweit vorhanden, gilt auch als Dokumentation und gehört in die Seitenauswahl.

6.2.7. Unterschiedliche Seitenzustände einbeziehen

Viele moderne Webangebote erzeugen Seiteninhalte dynamisch — sei es, dass bestimmte Bereiche versteckt und bei Fokussierung oder Auswahl eingeblendet werden, sei es, dass sie über JavaScript nach dem Laden des Ausgangszustands später nachgeladen und angezeigt werden, etwa bei dynamisch erzeugten Fehlermeldungen oder Live-Inhalten.

Die Seitenauswahl beinhaltet also auch die Aufgabe, mit den Seiteninhalten zu interagieren, um zusätzliche Zustände aufzuspüren, festzulegen und miteinzubeziehen. Ein häufiges Beispiel sind Suchergebnis-Seiten. Bei Seiten, die verschiedene Zustände skriptgesteuert anzeigen, sollten erzeugte Zustände festgelegt und mitgeprüft werden. Dies betrifft etwa Einfügungen von zuvor versteckten Bereichen oder die Einblendung zusätzlicher Elemente (etwa als modaler Dialog).

Wird ein Autorenwerkzeug geprüft, gehören in die Seitenauswahl auch die erzeugten Seiten, damit die aus Kapitel 11 der EN 301 549 hinzugekommenen Prüfschritte 11.8.2 und 11.8.3 zur Erstellung und Übernahme von semantischen Auszeichnungen dort geprüft werden können.

6.2.8. Prozesse einbeziehen

Bei Webanwendungen, in denen eine Abfolge zusammengehöriger Schritte auf derselben Seite einen Prozess bildet, wird der Prozess schrittweise dargestellt. Wie die zu prüfenden Zustände und Prozesse hervorgerufen werden, wird in der Seitenauswahl beschrieben. Prozesse sollen vollständig einbezogen werden. Die bedeutet nicht, dass gleichartige Seiten, die sich während der Prozessschritte nur unwesentlich ändern, als eigene Seiten in die Seitenauswahl einbezogen werden. Wenn jedoch als Teil des Prozesses neue Inhalte auftauchen, etwa nutzerdefinierte Bedienelemente oder modale Dialoge, müssen diese in die Prüfung mit einbezogen werden, um alle potentiellen Barrieren eines Prozesses zu erfassen.

Bei Prozessen, die sich über mehrere Seiten erstrecken (Shops, Fahrplanauskunft), sind alle Schritte / Seiten des vorgesehenen Gesamtablaufs kritisch: Wenn der Benutzer die allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht lesen oder nicht bestätigen kann, ist der Shop insgesamt unbenutzbar. Dennoch muss nicht jede einzelne Seite eines Prozesses in die Seitenauswahl hineingenommen werden, sofern sich die Prozessschritte gleichen. Bei der Seitenauswahl besteht stattdessen die Aufgabe, vor Beginn der eigentlichen Prüfung kritische Punkte zu identifizieren und die entsprechenden Seiten in die Seitenauswahl mit aufzunehmen. Sie stehen dann stellvertretend für den gesamten Prozess.

6.3. Identifikation der Seiten

Damit Bewertungen nachvollziehbar sind, muss klar sein, auf welche Seiten des Webangebotes sie sich beziehen. Die für die Prüfung ausgewählten Seiten müssen daher (im originalen Webangebot) zu identifizieren sein. Im Regelfall reicht hierfür die Angabe der URL.

Schwieriger ist die "Quellenangabe" bei dynamisch generierten Seitenzuständen oder bei Seiten, die auf der Grundlage von Benutzereingaben erzeugt werden. Das sind zum Beispiel Bestellbestätigungen oder Fehlermeldungen. Bei solchen Ansichten oder Seiten werden die Eingaben, die zur Erzeugung der geprüften Seiten geführt haben, festgehalten und im Prüfbericht dokumentiert, damit auf sie bezogene Prüfkommentare und Bewertungen klar zugeordnet werden können. Die Auswahlschritte werden aufgelistet, die zu der zu prüfenden Seite oder Ansicht führen, zum Beispiel:

  • Auf der Suchseite in der mit "Suche nach" bezeichneten Auswahlliste den Listeneintrag "Autoren" auswählen und "Starten" aktivieren
  • den Autor "Chandler" auswählen
  • die Schaltfläche "Einkaufswagen" neben dem Buch "Nevada-Gas" aktivieren

Kommentare, die sich auf bestimmte Seitenzustände beziehen, müssen dies deutlich ausweisen.

Auch die responsive Ansicht ist ein möglicher weiterer Seitenzustand und wird mitgeprüft. Mängel werden bei den entsprechenden Prüfkriterien bewertet.

Wenn zusätzliche Zustände die Seiteninhalte wesentlich verändern, können sie auch als weitere zu prüfende Seite definiert werden. Wie der Zustand aufgerufen wird, wird dann in der Seitenauswahl beschrieben.

6.4. Kopien der ausgewählten Seiten

Webangebote werden laufend verändert, die Prüfung ist nur eine Momentaufnahme. Auch erzeugt die Prüfung selbst Änderungsbedarf: In der Prüfung ermittelte Barrieren sollen behoben werden. Prinzipiell würde es deshalb Sinn machen, den Zustand der geprüften Seiten zum Zeitpunkt der Prüfung zu dokumentieren, also Kopien dieser Seiten anzulegen. Da viele Seiten jedoch zunehmend servergenerierte Inhalte anzeigen, die sich in einer Seitenkopie nicht mehr wiederfinden, ist diese Praxis nicht sinnvoll.

Mit dem BITV-Test bewertete Webangebote und für eine Veröffentlichung geeignete Prüfungen können in der Ergebnisliste BITV-Test / EN 301 549 (Web) angesehen werden.

7. Prüfung

Dieser Abschnitt beschreibt den Rahmen der eigentlichen Prüfung. Grundlage für die Bewertung ist das im Verzeichnis der Prüfschritte festgelegte Verfahren. Die Prüfschritte können unabhängig voneinander bewertet werden, eine feste Reihenfolge für die Bearbeitung der Prüfschritte gibt es nicht.

Das Testverfahren ist so aufgebaut, dass ein Test weitgehend ohne assistive Technologien möglich ist. Im Falle von komplexen dynamischen Inhalten, die mit WAI-ARIA angepasst sind, ist jedoch der Einbezug eines Screenreaders (siehe Werkzeugliste) sinnvoll.

7.1. Prüfgegenstand (einzelne Seite oder Webauftritt)

Die meisten Prüfschritte beziehen sich auf Merkmale einzelner Seiten. Sie können für einzelne Seiten eines Webauftritts erfüllt sein und für andere nicht. Diese Prüfschritte müssen auf alle für die Prüfung ausgewählten Seiten einzeln angewendet werden.

Beispiel: Auf verschiedenen Seiten eines Webangebotes werden tabellarische Daten angezeigt. Es kann sein, dass diese Daten unterschiedlich ausgezeichnet sind, die Seiten müssen daher einzeln geprüft werden.

Einige Prüfschritte beziehen sich allerdings nicht auf bestimmte Seiten, sondern auf den gesamten Webauftritt. Prüfschritte, die sich auf den Webauftritt als Ganzen beziehen, sind:

Bei diesen Prüfschritten gibt es nur eine Bewertung, die für alle ausgewählten Seiten und für den Webauftritt als Ganzes gilt. Sie werden vorab, im Zuge der Klärung der Prüfbarkeit des Webauftritts und der Auswahl von Seiten bearbeitet.

7.2. Anwendbarkeit

Die meisten Prüfschritte sind nur unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar. Prüfschritt 3.3.2a Beschriftungen von Formularfeldern vorhanden ist zum Beispiel nur anwendbar, wenn der zu prüfende Webauftritt ein Formular enthält, etwa für die Sucheingabe. Zunächst ist daher zu klären, ob ein Prüfschritt auf die zu prüfende Seite oder auf den Webauftritt anwendbar ist.

7.3. Bewertungsalternativen

Für anwendbare Prüfschritte erfolgt anschließend die eigentliche Bewertung des Prüfschritts. Für einige wenige Prüfschritte sind nur die beiden Bewertungsalternativen "erfüllt" und "nicht erfüllt" vorgesehen: Für andere Prüfschritte sind die Bewertungsalternativen "erfüllt", "eher erfüllt", "teilweise erfüllt", "eher nicht erfüllt" und "nicht erfüllt" möglich.

In der Ergebnisauswertung führen nach Abschluss der Prüfung alle Prüfschritte, die mit „teilweise erfüllt“ oder schlechter bewertet wurden, zu Einstufung der übergeordneten Anforderung als "nicht erfüllt". Anforderungen sind im Ergebnis nur dann "erfüllt", wenn alle zugeordneten Prüfschritte mit "eher erfüllt" oder "erfüllt" bewertet wurden (siehe Abschnitt Umgang mit dem Bewertungsansatz gemäß WCAG).

7.4. Bewertung

Grundlagen der Bewertung sind:

  1. Die Anwendung des Prüfschritts auf den Prüfgegenstand nach dem im Abschnitt "Prüfung" beschriebenen Verfahren
  2. die bisherige Bewertungspraxis (siehe Abschnitt Ablauf der Qualitätssicherung).

Die Ergebnisse der Prüfung sollen für Dritte im Detail nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Damit dies möglich ist, werden Bewertungen gegebenenfalls mit Anmerkungen versehen. Sobald eine Bewertung schlechter als "erfüllt" ausfällt, weil ein Mangel vorliegt, ist eine Anmerkung, die den Mangel beschreibt und sagt, welches Element der Ansicht betroffen ist, zwingend erforderlich.

Wann immer möglich sollten zusätzlich zur Beschreibung des Mangels Umsetzungsempfehlungen gegeben werden. Diese werden sich in der Regel auf die empfohlene Umsetzung bzw. das erwünschte Verhalten aus Nutzersicht beziehen.

Hinweis: Der Einsatz neuer Techniken, die nicht mit dem BITV- bzw. WCAG-Test geprüft werden, durch die jedoch die BITV-Anforderungen erfüllt werden, soll sich nicht negativ auf das Ergebnis des Tests auswirken. Sind solche Techniken bekannt, prüfbar und gelten als Barrierefreiheit unterstützend, führt deren Einsatz nicht zu einer negativen Bewertung und wird zeitnah in das Prüfverfahren aufgenommen.

8. Auswertung BITV-Test / WCAG-Test

Auf Basis der einzelnen Bewertungen wird ein HTML-Bericht und parallel ein PDF-Prüfbericht erstellt. Prüfberichte von BITV-Tests mit unabhängiger und repräsentativer Seitenauswahl durch die Prüfstelle können Anbieter auf Wunsch veröffentlichen, um darauf vom Prüfzeichen aus zu verlinken.

Der Bewertungsansatz hat sich durch die Aufgabe der bisherigen Punktebewertung und der Ausrichtung an den WCAG deutlich verändert.

8.1. Bewertung für einzelne Seiten

Der HTML- und der PDF-Prüfbericht zeigt für jede einzelne geprüfte Seite, wie viele der Anforderungen nicht erfüllt wurden (BITV-Test: in 98 Prüfschritten werden 88 Anforderungen getestet / WCAG-Test: in 60 Prüfschritten werden 50 Anforderungen getestet).

8.2. Konformität gemäß BITV / WCAG

Die Prüfschritte des BITV-Tests basieren auf den Anforderungen der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0.

Durch den direkten Verweis der im Mai 2019 aktualisierten BITV 2.0 auf die geltende EN 301 549 (aktuell: EN 301 549 V3.2.1 (2021-03) (PDF, 2,17 MB)). Die EN definiert in Annex A, Tabelle A.1 Anforderungen, die den Bereich Web (falls anwendbar) gelten.

9. Umgang mit dem Bewertungsansatz gemäß WCAG

In den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1 ist Konformität für eine der Konformitätsstufen (A, AA, AAA) nur dann gegeben, wenn eine Seite alle Erfolgskriterien erfüllt.

9.1. Ergebnis für einzelne Anforderungen bzw. Erfolgskriterien

Im Test sind den Anforderungen / Erfolgskriterien ein oder mehrere Prüfschritte zugeordnet. Eine Punktebewertung und eine Gewichtung einzelner Prüfschritte sind nicht vorgesehen. In der Ergebnisdarstellung gibt es deshalb nur die Unterscheidung: Anforderung / Erfolgskriterium "erfüllt" oder "nicht erfüllt".

Für den öffentlichen Bericht werden die in der Prüfung ermittelten differenzierten Bewertungen entsprechend generiert:

  • Alle Prüfschritte, die mit "teilweise erfüllt" oder schlechter bewertet wurden, bedeuten ein "nicht erfüllt" der übergeordneten Anforderung.
  • Alle Prüfschritte, die mit "erfüllt oder "eher erfüllt" bewertet wurden, bedeuten ein "erfüllt" der übergeordneten Anforderung.

9.2. Umgang mit der Bewertung "eher erfüllt"

Ist es legitim, die Anforderung / das Erfolgskriterium auch dann als "erfüllt" zu betrachten, wenn zugeordnete Prüfschritte mit "eher erfüllt" bewertet wurden?

In den WCAG ist nur die Unterscheidung "Erfolgskriterium erfüllt / nicht erfüllt" vorgesehen. In vielen Prüfschritte ist diese Bewertung aber nicht immer klar und eindeutig zu vergeben - es gibt einen Interpretationsspielraum. Ein Beispiel: Eine Grafik ist zwar mit einem Alternativtext versehen, der Alternativtext beschreibt das Bild aber nicht optimal. Im BITV-Test würde dann die Bewertung "eher erfüllt" vergeben werden. Die Auswertung nach WCAG verlangt aber eine eindeutige Antwort. Nun müssen sich Prüfende entscheiden, ob das Erfolgskriterium trotz kleiner Mängel erfüllt ist oder nicht. Setzen sie das Erfolgskriterium auf "nicht erfüllt", ist Konformität für die ganze Seite nicht mehr möglich.

Grundsätzlich ist ein Test nur sinnvoll, wenn es auch die Möglichkeit gibt, den Test zu bestehen. Die Konformität nach BITV bzw. WCAG soll zumindest für einzelne Webseiten ein erreichbares Ziel sein. Aus diesem Grund erscheint es legitim und sinnvoll, geringfügige Mängel zwar anzumerken und zu beschreiben, aber nicht als Knock-out-Kriterium zu bewerten.

9.3. Konformität für einzelne Seiten

Konformität kann gemäß der WCAG (WCAG Conformance Requirements) nur für einzelne Seiten definiert werden. Damit für eine Seite die Konformität bestätigt werden kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Aussagen zur Barrierefreiheit gelten für eine der drei Konformitätsstufen A, AA, AAA. Sämtliche Erfolgskriterien einer Stufe müssen erfüllt sein.

  2. Die Seite wurde vollständig getestet, d.h. alle anwendbaren Prüfschritte wurden auf die gesamte zu testende Seite bezogen.

  3. Bei Seiten, die Teil eines Prozesses sind, wurde der gesamte Prozess geprüft und als konform bewertet.

  4. Auf der betreffenden Seite werden ausschließliche Techniken benutzt, die die Barrierefreiheit unterstützen, d.h. von assistiven Technologien und User Agents erkannt und unterstützt werden.

  5. Unter Umständen dürfen Alternativversionen für nicht barrierefreie Techniken genutzt werden. Folgende Techniken sind jedoch immer störend und können nicht durch eine alternative Technik kompensiert werden:

    • Audio wird automatisch abgespielt

    • Es gibt eine Tastaturfalle
    • Sich bewegende Elemente können nicht angehalten, beendet oder ausgeblendet werden
    • Es gibt stark blinkende oder flackernde Elemente

Das Testinstrument und die vorliegende Beschreibung des Prüfverfahrens unterstützen die Einhaltung der von der WCAG geforderten Voraussetzungen.

10. Prüfbericht

Der Prüfbericht enthält alle Ergebnisse des Tests, nach Prüfschritten und geprüften Seiten geordnet. So können Verantwortliche des Webauftritts leicht sehen, wo Verbesserungen erforderlich sind. Außerdem bieten wir für alle Testberichte einen Issue-Export in den Formaten JIRA und GitLab. Bei Veröffentlichung des Prüfberichts sind die Ergebnisse auch für Fachleute oder für Nutzende nachvollziehbar.

10.1. Inhalte des Prüfberichts

Der Prüfbericht wird auf Basis der Ergebnisse des Tests automatisch generiert. Sowohl die HTML- als auch die PDF-Version sind barrierefrei, die PDF-Version ist PDF/UA-konform. Kern des Berichts sind die Ergebnisse (Bewertungen und Anmerkungen) der einzelnen Prüfschritte und Seiten.

Bestandteile des Prüfberichts sind:

  • Datum oder Zeitraum der Prüfung
  • Name der Prüfer*in und der Prüfstelle
  • Angaben zur Bestimmung des Prüfgegenstands (Startadresse, von der Prüfung ausgenommene Bereiche oder Elemente des Webangebots)
  • Auflistung der geprüften Seiten, Angaben zu mitgeprüften Seitenzuständen, gegebenenfalls Erläuterungen zur Auswahl und zur Identifikation der ausgewählten Seiten
  • Ausgabe der Konformität für einzelne Seiten
  • Ergebnis für die einzelnen Prüfschritte für jede Seite (konform / nicht konform), gegebenenfalls mit Anmerkungen der Prüfer*in
  • Verweis auf die Beschreibung des Prüfverfahrens
  • Farbcodierte Spinnengrafik für den Gesamteindruck des Ergebnisses
  • Tabellarische Ergebnis-Übersicht als interaktiver Index
  • Screenshots zur Identifikation bzw. Ortsbestimmung von Mängeln
  • QR-Code zum Aufruf des Online-Prüfberichts in der Druckversion

11. Veröffentlichung von Prüfergebnissen

Prüfberichte von BITV-Tests können veröffentlicht werden, wenn eine unabhängige und repräsentative Seitenauswahl von der Prüfstelle vorgenommen wurde. Eine Veröffentlichung darf nur vollständig erfolgen, alle Angaben des Prüfberichts müssen eingeschlossen werden.
Bestandteil des Gesamtergebnisses ist die hinreichend klare Angabe des Prüfgegenstandes. Wenn das Webangebot nur teilweise geprüft worden ist, wenn also z. B. bestimmte Bereiche von der Prüfung ausgenommen worden sind, dann muss das angegeben werden. Dort, wo (z. B. mit einem Prüfzeichen) über das Prüfergebnis informiert wird, steht dann zum Beispiel:

  • Nicht in die Prüfung eingeschlossen war die Barrierefreiheit der PDF-Dokumente
  • Nicht in die Prüfung eingeschlossen war der Bereich "Materialien"

11.1. Verwendung der BIK-Prüfzeichen

Es gibt es zwei unterschiedliche Prüfzeichen:

  • BIK BITV-Test Prüfbericht. Dieses Prüfzeichen können Angebote tragen, die auf Basis einer unabhängigen und repräsentativen Seitenauswahl durch die Prüfstelle im BIK BITV- oder WCAG-Test geprüft wurden. Das Prüfzeichen gibt keinen Hinweis auf die Bewertung und bedeutet nicht, dass das geprüfte Angebot BITV- oder WCAG-konform ist. Es darf nur eingesetzt werden, wenn es auf den online vorgehaltenen BITV-Test-Prüfbericht verlinkt, der bestehende Mängel detailliert aufführt.
  • BIK BITV-konform (geprüfte Seiten) und BIK WCAG-konform (geprüfte Seiten). Dieses Prüfzeichen kann verwendet werden, wenn in einem BIK BITV- oder WCAG-Test für alle geprüften Seiten einer durch die Prüfstelle vorgenommenen unabhängigen und repräsentativen Seitenauswahl alle Anforderungen als "erfüllt" bewertet wurden (das heißt, alle Prüfschritte wurden mit "erfüllt" oder "eher erfüllt" bewertet). Auch dieses Prüfzeichen darf nur eingesetzt werden, wenn es auf den Online-Prüfbericht verlinkt.

Die Verantwortlichen der Website befolgt dabei die Regeln für die Einbindung des BIK-Prüfzeichens.

BIK-Prüfzeichen hat keine begrenzte Gültigkeit. Aufgrund des dokumentierten Prüfdatums im verlinkten Prüfbericht wird jedoch deutlich, wann das Webangebot geprüft wurde. Je aktueller das Datum, desto größer ist die Aussagekraft des Prüfergebnisses und umgekehrt.

11.2. Konformitätserklärung nach WCAG

Das hier beschriebene Prüfverfahren ist an die Website Accessibility Conformance Evaluation Methodology (WCAG-EM) 1.0 angelehnt. Aus diesem Grund ist es möglich, neben der Beurteilung einzelner Seiten, Rückschlüsse auf die Zugänglichkeit des gesamten Prüfgegenstand (gesamter Webauftritt bzw. Teilbereiche) zu ziehen und eine entsprechende Erklärung abzugeben.

Die Verantwortlichen der Website befolgen dabei die Regeln für die Einbindung einer Konformitätserklärung nach WCAG.

11.3 Erklärung zur Barrierefreiheit

Nutzt der Webanbieter in seiner Erklärung zur Barrierefreiheit den BITV-Test als Nachweis für Konformität aufgrund einer "Bewertung durch einen Dritten" (vgl. § 7 Absatz 5 BITV 2.0), kann dies nur mit Hilfe eines veröffentlichten Tests geschehen (also ein Test mit einer unabhängigen und repräsentativen Seitenauswahl). Bindet der Webanbieter das Prüfzeichen in seine Erklärung ein, befolgt er die damit verbundenen Regeln. Weitere Informationen zur Umsetzung unter Die Erklärung zur Barrierefreiheit.

12. Nutzung des Verfahrens

Die BIK Prüfschritte sind auf GitHub und hier auf der BITV-Test-Website unter Test-Methodik offen dokumentiert und bilden die Grundlage des BIK Prüfverfahrens.

Für die Nutzung außerhalb des BIK Prüfverfahrens gibt es die BITV-Selbstbewertung für interne Prüfungen. Die BITV-Selbstbewertung darf nicht für kommerzielle Testaufträge eingesetzt werden.

Ein BITV-Test (Web) nach dem BIK Prüfverfahren kann nur von BIK Prüfstellen durch qualifizierte BIK Prüfende durchgeführt werden. Zentral wichtig hierfür sind die im Prüfverfahren festgelegten Abläufe, die durch ausgebildete und erfahrene BIK Qualitätssichernde begleitet werden.

Aufgaben der BIK Qualitätssicherung:

  • Ist das Angebot überhaupt im Konformitätstest prüfbar? Bei der Beurteilung werden die Konformitätsbedingungen der EN bzw. der WCAG (siehe EN 9.6 WCAG conformance requirements) zugrunde gelegt.
  • Dürfen bestimmte Inhalte ausgeschlossen werden bzw. ist das zu prüfende Angebot von diesen klar abgrenzbar?
  • Ist die Seitenauswahl hinreichend repräsentativ?
  • Ist die Qualität der Prüfergebnisse gut? Wurden Dinge übersehen, falsch zugeordnet, oder falsch beurteilt?
  • Sind Empfehlungen und Umsetzungshinweise für Entwickler korrekt und sinnvoll?

Eine Nutzung der BIK Prüfschritte außerhalb der in den BIK Prüfverfahren festgelegen Abläufe ohne BIK Qualitätssicherung ist kein BIK BITV-Test.

BIK Markenschutz

BIK ist eine seit 2004 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragene und geschützte Marke. Markenschutz besteht auch für die unter der Marke entwickelten und registrierten Dienstleistungen, etwa den BIK BITV-Test. Wir betrachten es als markenrechtlichen Verstoß, Dienstleistungen anzubieten, die identische oder ähnliche Bezeichnungen nutzen bzw. für Verbraucher*innen mit unseren BIK Dienstleistungen verwechslungsfähig sind.